30 Jan 2015/in Allgemein, BVSK-Information /von Kfz-Sachverständigenbüro MüllerAG Kulmbach, Urteil vom 08.05.2014, AZ: 70 C 678/13
Hintergrund
Die Klägerin erlitt am 14.06.2013 einen unverschuldeten Verkehrsunfall und beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Schadengutachtens. Sie rechnete den Schaden aufgrund des Gutachtens vom 18.06.2013 auf Totalschadenbasis (Wiederbeschaffungswert: 7.350,00 € abzüglich Restwert: 2.500,00 € entspricht Wiederbeschaffungsaufwand: 4.850,00 €) ab und verkaufte am 20.06.2013 ihr Unfallfahrzeug zum höchsten der drei durch den Sachverständigen ermittelten Restwertangebote (2.500,00 €) an einen örtlichen Mazda-Händler, bei dem sie auch ein Ersatzfahrzeug erwarb.
Mit Schreiben vom 27.06.2013 übermittelte die beklagte Haftpflichtversicherung des Unfallgegners der Klägerin ein Restwertangebot in Höhe von 3.300,00 € und rechnete den Schaden auf Grundlage dieses Angebotes ab (Wiederbeschaffungswert: 7.350,00 € abzüglich Restwert: 3.300,00 € entspricht Wiederbeschaffungsaufwand: 4.050,00 €).
Die Differenz in Höhe von 800,00 € machte die Klägerin u.a. erfolgreich gerichtlich geltend.
Aussage
Das AG Kulmbach ging auf die Frage, ob die Geschädigte ein Restwertangebot der Versicherung abwarten oder gar abfragen müsse, gar nicht erst im Detail ein. Das AG verweist auf die insoweit ausreichend deutliche BGH-Rechtsprechung, wonach ein Geschädigter sich auf drei am regionalen allgemeinen Markt eingeholte Angebote verlassen darf. Eine eventuelle Wartepflicht auf Angebote der Versicherung lässt sich dieser BGH-Rechtsprechung beim besten Willen nicht entnehmen. Sie würde der Wertung des BGH klar widersprechen.
Das AG Kulmbach führt aus:
„Der Wiederbeschaffungsaufwand errechnet sich hier unter Zugrundelegung des im Gutachten des Sachverständigen XXX vom 18.06.2013 ermittelten Wiederbeschaffungswertes (differenzbesteuert) in Höhe von 7.350,- EUR abzüglich des in dem Gutachten aufgeführten Restwertes mit Mehrwertsteuer in Höhe von 2.500,- EUR, mithin auf den klägerseits in Ansatz gebrachten Betrag von 4.850,- EUR.
Im Bereich der Rechtsprechung zur Restwertproblematik ist der Kreis der für den Geschädigten relevanten, zu berücksichtigenden Restwertaufkäufer eingeschränkt. Bei der Ermittlung des für den Geschädigten relevanten Restwertes stellte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.07.2005, AZ: VI ZR 132/04 auf den regionalen allgemeinen Markt ab.
Maßgeblich ist ein Restwert, den der Geschädigte bei einem Kfz-Betrieb seines Vertrauens in seiner Region bzw. bei einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler erhalten würde.
Die Eingrenzung der für den Geschädigten maßgeblichen Restwerte bestätigt der Bundesgerichtshof zuletzt in seiner Entscheidung vom 13.10.2009, AZ: VI ZR 318/08. Der Sachverständige hat den maßgeblichen Restwert aus der Sicht des Geschädigten am regionalen allgemeinen Markt zu ermitteln.
Diesen Anforderungen hat das vorgelegte Gutachten vom 18.06.2013 genügt.
Auf Seite 9 und 10 des Gutachtens sind Restwertangebote aufgeführt des Autohauses XXX: 2.500,- EUR, des Autohauses XXX: 2.450,- EUR sowie des Autohandel XXX: 2.210,- EUR.
Im Urteil vom 13.01.2009, AZ: VI ZR 205/08 führt der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Restwertproblematik aus, dass der Geschädigte sich nicht auf Angebote von Sondermärkten, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwertaufkäufer über das Internet, verweisen lassen muss.
Die Klägerin durfte, da im Schadensgutachten des Sachverständigen XXX der Restwert auch korrekt unter Erholung von drei Restwertangeboten auf dem regionalen Markt ermittelt worden ist, ohne sich vorher mit der Beklagten verständigen zu müssen, zu dem höchstbietenden Restwert laut Gutachten verkaufen.
Die Klägerin war als Geschädigte Herrin des Restitutionsgeschehens. Sie darf damit grundsätzlich selbst bestimmen, wie sie mit der beschädigten Sache verfährt.
Die Klägerin hat dem „Gebot der Wirtschaftlichkeit“ Genüge getan, indem sie ihr beschädigtes Fahrzeug zu dem höchsten im Gutachten aufgeführten Preis veräußert hat.
(AG Kulmbach, Urteil vom 08. Mai 2014 – 70 C 678/13 –, Rn. 50, juris).“
Praxis
Das AG Kulmbach schließt sich der überwiegend herrschenden Rechtsprechung an, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, ein Restwertangebot der Versicherung abzuwarten. Er ist berechtigt, sofern ihm keine höheren Restwertangebote bekannt sind bzw. aus seinem Wissen heraus die mitgeteilten Restwertangebote als zweifelhaft erkennbar sind, eine Veräußerung sofort vorzunehmen.